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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

im „Klartext“ beleuchten und kommentieren wechselnde Autoren aktuelle Themen aus Wirtschaft, Politik und Tagesgeschehen aus unternehmerischer Sicht.

Der Klartext scheut keine Konflikte, er soll anregen – zum Nachdenken, provozieren oder belustigen.

Wir freuen uns, Ihnen unseren Klartext Gastautor, den bekannten Speaker, Vordenker und ehemaligen Top-Manager Prof. Dr. Gunter Dueck vorstellen zu können.
Gunter Dueck befasst sich u.a. mit den Themen Innovation, Unternehmenskultur, Change Management und die Zukunft der Arbeit.
Wir verstehen seinen Beitrag als Persiflage auf hilflose Motivationsversuche, bei denen durch Einsatz von "Tschakka"-Methoden Mitarbeiter zu Höchstleistungen gebracht werden sollen. Damit bringt es Gunter Dueck auf den Punkt: um modern und erfolgreich zu wirtschaften benötigen Unternehmen keine banalen Motivationsspritzen für ihre Mitarbeiter, sondern ein vertrauensvolles und belastbares Miteinander, welches die Basis für eine gemeinsame Zielerreichung legt.  

Wer mehr über Gunter Dueck und seine Arbeiten erfahren möchte, den verweisen wir hiermit auf seine Homepage und seinen Newsletter:
www.omnisophie.com

Zudem empfehlen wir Ihnen sein neuestes Buch "Schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam" (http://www.campus.de/buecher-campus-verlag/wirtschaft-gesellschaft/wirtschaft/schwarmdumm-9655.html).

Viele Spaß beim Lesen!

Herzliche Grüße

Stefan Meinsen

PS:

Der Klartext erscheint im ungleichmäßigen Wechsel mit dem „Wachstumsbrief“,  „Wissenschaft & Wirtschaft“ und der „Reklame“. Wenn auch Sie einmal etwas loswerden wollen, wenden Sie sich gerne an uns.


Tschakka, Tschakka! Grundlose Begeisterung ist Pflicht!
von Prof. Dr. Gunter Dueck

Die Ungeduld des Managements mit den lahmen unbegeisterten Ingenieuren, die immer nur „in Ruhe arbeiten“ wollen, hat eine ganze Begeisterungsindustrie hervorgebracht, die viel Geld damit verdient, dem Management dabei zu helfen, Mitarbeiter bei Kick-Offs zu begeistern. 

Das Management ist fast kindlich glänzend begeistert von den „Jeder-kann-Unmögliches-möglich-machen“-Veranstaltungen. Da kommen Leute, die vom Mount Everest fielen, bis unten runterrollten, dabei die Schuhe verloren  und dann trotzdem den Gipfel doch noch am gleichen Tag barfuß erreichten, weil das der Zeitplan so wollte. Dirigenten erklären Teamplay (das können sie, weil die Musiker nicht opportunistisch gegeneinander spielen können – wie überall sonst). Der zurückgekehrte Robinson Crusoe wäre heute ein gefeierter Keynote Speaker. 

Sie trommeln und schreien auf den Veranstaltungen, Abgestürzte stehen auf, Nackte springen durch Feuerreifen und Gladiatoren ringen Elefanten nieder. Die Botschaft ist immer dieselbe: Das kann jeder, besonders auch du! 

„Alles ist Motivation, Einstellung und Team! Die Haltung bei der Arbeit ist das Entscheidende, auch und gerade bei Stress, Enttäuschungen und Rückschlägen. Jeder muss nur einmal öfter aufstehen als hinfallen. Scheitern ist normal – das steckt der wirklich Motivierte weg. Es gilt, für die Firma da zu sein, erst dann für die Abteilung, zum Schluss für sich selbst! Die Firma ist alles. Für sie ist keine Extrameile zu wenig und kein ehrgeiziges Ziel zu hoch gesteckt!“ 

Und dann gibt es für die Manager in den Kickoffs und Sitzungen verschiedene Übungen zum „Teamen“ und scheinbare Mutproben, etwas selbst zu schaffen, was sie selbst nie für möglich gehalten hätten: Sie hangeln sich über eine Schlucht, laufen auf Seilen zwischen Baumkronen oder rennen über glühende Kohlen. Dabei ist es wichtig, vor den Mutproben viele Male „Ich schaffe das!“ laut wie Tarzan mit geballter Faust in den Himmel zu schreien. Das Team stimmt dann ein: „Du schaffst das! Wir schaffen das! Wir alle schaffen das!“ Man heizt sich also wie vor einem Sportwettkampf auf, Selbstmotivationsschreie werden eingeübt. Das Wort „Tschakka“ kennt sogar schon der Duden für „Ich schaffe das“. 

„Tschakka, Tschakka! Alles ist Haltung!“  Mit solchen „Motivationsorgien“ versuchen nun die Manager im Verein mit den Personalern, die Mitarbeiter doch noch rauschhaft zu begeistern, damit sie sich noch mehr reinhängen und Extrameilen gehen. Beim Vertrieb wirkt das im Allgemeinen sehr gut, weil Vertriebsmenschen außer der eisernen Zuverlässigkeit in etwa den Charakter des energischen Managers haben und natürlich auch auf laute Begeisterungsmeetings mit anschließendem freiem Zugang zu allen Bars schwören. Sie werden dafür aber nicht talentierter, sie lernen nicht, dem Kunden zuzuhören, sie verstehen jetzt nicht plötzlich die Konkurrenzprodukte wie der moderne Kunde, der vor dem Kauf umfassend surft. 

Die Fachexperten oder „die Ingenieure“ leiden beim für sie albernen Tschakka-Tschakka still vor sich hin. Experten haben höhere Werte im Asperger-Autismuspektrum, sie hassen diesen Rummel. Immer werden die gleichen Reden geschwungen, finden sie. Beim Programmieren, beim Bauen von Maschinen und bei Berechnen von Flugplänen hilft keine Begeisterung – man muss Meister sein und Sehnsucht haben, immer besser zu werden. 

Das – wie gesagt – versteht das Management nicht. Das Management bestellt jedes Jahr einen neuen Tschakka-Tschakka-Zauberer, der gerade in Mode ist und probiert ihn im Managementteam vorab exklusiv aus. Die Chefs wollen sicher sein, dass der neue Zauberer wirklich elektrisierend motiviert, also muss der vorab eine Sondershow exklusiv für das Top_Management abziehen. Sie finden ihn jedes Mal grandios.„Das ist toll! Hey, großer Guru, wir bestellen Sie jetzt gleich für zehn Standort-Kick-Offs, damit alle unsere Mitarbeiter so trunken vor Begeisterung werden wie wir im Augenblick sind.“ 

Begeisterung ist aber nicht die eine Monocausa des Erfolges schlechthin – mit Begeisterung allein entstehen keine Produkte. Hilfe! Warum erzeugt man in den Ingenieuren nicht Sehnsucht? Warum lädt man keine Nobelpreisträger ein, die diese Sehnsucht in Vorträgen wecken könnten? 

Der Top-Manager redet leider frustrierend oft so: „Wir haben Sie als Experten und Ingenieure heute alle zu dieser Veranstaltung eingeladen, um Ihnen die ehrgeizigen Ziele des nächsten Jahres zu verkünden und um Ihnen gleichzeitig zu sagen, dass die bisherigen Zahlen des Januars vollkommen inakzeptabel sind. So kommen wir nicht weiter. Wir haben daher für den heutigen Tag eine Menge Geld investiert, um Sie jetzt gleich anschließend zu motivieren. Wir haben Sie dazu alle für zwei volle Tage aus der Arbeit herausgenommen, was ja rechnerisch fast ein Prozent der Jahresarbeitszeit und der Jahresleistung entspricht. Diesen verlorenen Prozentpunkt wollen wir natürlich mindestens doppelt und dreifach wieder hereinholen, weil wir nach der Motivierung erheblich gesteigerte Arbeitsleistungen von Ihnen erwarten können und müssen, sonst hätten wir ja falsch investiert, was wir nie tun. Heute zeigt Ihnen ein Wüstentourist, wie er drei Monate im Sand verirrt überlebte, danach spricht eine Mutter von zwanzig Kindern darüber, wie glücklich sie die Vielfalt des Lebens managt und schließlich bringen wir Ihnen in einem Theaterstück des Teams 2020 den neuen Begriff der Kollegenteamemotion bei. Er bezeichnet das betriebliche Pendant zur Nächstenliebe, nicht das, was Sie denken. An diesen drei leuchtenden Beispielen werden Sie erkennen, wie sehr jeder von Ihnen dazu berufen ist, Dinge bewegen zu können, die er vorher für sich selbst nicht für möglich gehalten hätte. Die Menschen, die Sie gleich auf der Bühne sehen, sind beileibe keine Ausnahmemenschen, es sind Menschen wie Sie, die erkannt haben, dass sie alles möglich machen können. Das können auch Sie! Jeder von Ihnen kann alles. Tschakka-Tschakka! 

Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass Hochleistung und Teamgeist absolut Key für unseren Erfolg sind. Wo diese Grundlagen vorhanden sind, kann man Ziele so unmöglich hoch festsetzen, wie man will, sie sind immer erreichbar. Der feste Glaube daran, alles zu können, wirkt so stark, dass auch alles gelingt. Daher fordere ich Sie zu diesem unbedingten Glauben an jedes beliebige Gelingen auf. Wer nicht mitziehen will, hat hier keinen Platz. Ich werde daher nach den drei Motivationsreden durch renommierte Tschakkaisten, die wir hier zu Ihrer Motivierung gewinnen konnten, noch einmal das Wort ergreifen und dann alle diejenigen bitten, die nicht an unsere Vision des zweistelligen Wachstums glauben, den Saal zu verlassen. Die verbleibenden Mitarbeiter möchte ich auf ein Getränk einladen, für das Sie einen Hotelbar-Gutschein in Ihrer Programmmappe finden. Sie sehen, wir haben keine Mühen gescheut, Ihnen das High-Performen so angenehm wie möglich zu machen. Unser Managementteam hat über den Jahreswechsel hart gearbeitet und lange an unseren Jahreszielen gefeilt. Wir haben unsere Strategie erarbeitet! Sie heißt Fünfzehn! Fünfzehn Prozent! Ich habe ja – das darf ich persönlich anmerken – zwölf Prozent für besser gehalten, weil ich Ihnen nicht so viel zutraue wie Ihre direkten Chefs. Aber die kennen Sie ja besser, das habe ich eingesehen. Ich sehe Sie ja nur einmal im Jahr. Höchstens. Sei es, wie es sei, es gilt die Fünfzehn. Jetzt liegt es an Ihnen, liebe Mitarbeiter! Jetzt sind Sie dran, Ihren Beitrag für ein erfolgreiches Geschäftsjahr zu leisten. It’s up to you! Das ist das Motto für den heutigen Tag. Wir haben das ganze Managementteam gebeten, schwarze T-Shirts mit diesem Motto zu tragen. It’s up to you! Wenn Sie solch ein T-Shirt sehen und das Motto darauf lesen, denken Sie daran: Damit sind Sie ganz persönlich angesprochen! Das zeigt Ihnen heute auf dem Kickoff jeder Manager mit stolzer Brust. Tschakka-Tschakka! Wir schaffen das! Wir schaffen das! Bitte stehen Sie kurz alle auf. Klatschen Sie begeistert in die Hände! Wir schaffen das! Rufen Sie mir laut zu: Sie schaffen das! … Na, etwas lauter müsste es doch gehen, holen sie tief Luft und machen Sie keinen Hehl aus Ihrer Überzeugung. Also! Ich höre! Ganz laut! Jetzt!“ – „SIE SCHAFFEN DAS, CHEF, TSCHAKKA-TSCHAKKA!“ – „Gut, das wird hoffentlich nach den drei folgenden Darbietungen von Ihnen noch lauter gebrüllt werden, da bin ich sicher, so wundervoll wird die gleich einsetzende Motivierung für Sie werden. Wir vom Management haben uns den ganzen Zirkus schon einmal zur Probe angeschaut und konnten das hyperaktive Leistungskribbeln dabei kaum ertragen. Sie werden jetzt Menschen erzählen sehen, die das Unmögliche möglich gemacht haben. Es sind Menschen wie Sie und ich. Ich bin daher felsenfest überzeugt: Nach den folgenden drei Mal 45 Minuten sind wir unserem Jahresziel schon zum Greifen nah.“ 

Solche Reden kann man allein mit SABTA (Sicheres Auftreten bei Totaler Ahnungslosigkeit) halten. SABTA, das ist etwas, was Ingenieure an ihren Chefs am tiefsten hassen. Aber sie sind – wie auch die Leute im Vertrieb – stolz darauf, so zu reden. Vertriebsleute sagen öfter: „Ich weiß von der Sache jetzt genug, um die ersten zehn Minuten beim Kunden zu überstehen. Mehr Wissen über unsere Produkte brauche ich nicht. Nach zehn Minuten weiß ich, welchen Ingenieur ich herholen muss. Ich kenne auch schon genug Ingenieure, die nicht gleich mit zu technischem Gefasel kommen und mir den Kunden versauen.“ 

Die Technologen und Experten aber stehen nachdenklich und stumm-verzweifelt dabei und üben sich im Fremdschämen.

 

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